Wir schreiben das Jahr 2076 nach Cäsar. Das gesamte Römische Heer ist aufgelöst. Das ganze römische Heer? Nein, eine unbeugsame Legion auf der philippinischen Insel Marinduque wird nicht müde standhaft ihren Dienst zu versehen …
Da Ostafrika ein bißchen langweilig ist, ist hier eine Ostergeschichte von den Philippinen aus dem letzten Jahr:
Als Jesus stürzt, muss ich einen Schritt zurück gehen, damit mir das Kreuz nicht auf den Fuß fällt. Sofort sind zwei der Legionäre zur Stelle, und schlagen mit ihren Lederpeitschen auf Jesus ein, bis er sich wieder aufrappelt und weiter durch die Menge getrieben wird.
Zu dem aufgemalten Blut in seinem Gesicht und auf seinem Oberkörper haben sich mittlerweile wirklich blutige Schrammen an Knien und Händen gebildet.
Pflichtbewusst bleiben die Legionäre immer wieder stehen und lassen sich mit den Zuschauern photographieren. Denn obwohl es beim Osterfest eigentlich um Jesus und den Osterhasen geht, sind hier auf der philippinischen Insel Marinduque die römischen Soldaten, Moriones genannt, die Stars.
Schon die ganze Heilige Woche ziehen Sie durch die Straßen, suchen nach Longinus, erschrecken Kinder und posieren für Photos.
Das Fest geht auf die Sage von Longinus zurück, einem römischen Hauptmann, der auf einem Auge blind war und derjenige war, der Jesus am Kreuz mit der Lanze stach, um zu sehen, ob er schon tot sei. Dabei spritzte etwas Blut auf sein blindes Auge und er konnte wieder sehen und konvertierte zum Christentum. Daraufhin wurde er von seinen Kameraden gesucht, gefunden und enthauptet.
Das Fest wurde im 19. Jahrhundert von einem spanischen Priester eingeführt.
Die ganze heilige Woche über wird auf der Insel gefeiert, von von besinnlichen, kirchlichen Prozessionen über Paraden der verschiedenen Moriones-Vereine bis hin zu Tanzwettbewerben der verschiedenen Barangay (Ortschaften). Die größeren Städte sind Monate im Voraus ausgebucht aber ich finde eine kleine, günstige Wohnung (Zimmer mit Küche, Bad und Balkon) in Buenavista.
Das Highlight bietet das Passionsspiel in Boac, wo Jesus verurteilt, zwei Stunden durch die Stadt getrieben und gekreuzigt wird.
Der Jesus-Darsteller und die beiden Diebe, die mit ihm durch die Straßen getrieben werden, machen das aus einem Sühnegedanken heraus, weshalb die Moriones sich beim Auspeitschen auch nicht allzu sehr zurückzuhalten scheinen. Bei der Kreuzigung werden jedoch nicht, wie an anderen Orten auf den Philippinen, Nägel verwendet, sondern die „Verurteilten“ werden nur angebunden. Das Bild der drei gekreuzigten Männer hat auf mich einen gewaltigen Eindruck gemacht. Diese ikonische Szene plötzlich „live“ zu erleben ist schon etwas besonderes und mir wird klar, wie stark kulturelle Prägung durch Religion sein kann.
Die Moriones mit ihren böse schauende Holzmasken lieben es kleine Kinder zu erschrecken, die es wiederum lieben, sich erschrecken zu lassen. Begeistert schreien sie „Morion, Morion!“ um sich dann hinter den Rockzipfeln ihrer Mütter zu verstecken, wenn der Gerufene angerannt kommt.
Die Älteren, die nicht mehr so leicht zu erschrecken sind, posieren lieber mit den Moriones für Photos. Ein einsamer Jesus-Darsteller wird nur von wenigen beachtet. Wie gesagt, hier sind die Moriones die Stars.
Öffentliche Bedienstete müssen sich die ganze Woche in römischer Weise kleiden, ein Versuch ein bißchen Hintergrundstimmung zu erzeugen, doch die Massen an (fast ausschließlich philippinischen) Touristen ersticken diesen Ansatz schon im Keim.
Dennoch ein Fest, das man erleben sollte, wenn man die Chance dazu hat.
Wie lautet noch das touristische Motto der Philippinen?
It’s more fun in the Philippines. Gilt auch für Ostern!
Frohe Ostern allerseits!