Alles ein bißchen anders

Es ist gerade dunkel geworden und ich sitze vor meinem Abendessen. Abends wird es früh dunkel in Addis Abeba, kein Wunder wir sind nur knapp 1000 km nördlich des Äquators (wo stänige Tag- und Nachtgleiche herrscht) und außerdem ist es schon 1 Uhr 30 abends. Nach äthiopischer Zeit. Nach faranji Zeit ist das 19 Uhr 30.
Die Uhren gehen in Äthiopien im wahrsten Sinne des Wortes anders − und wie ich finde logischer. Es ist nämlich bei Sonnenaufgang 0 bzw. 12 Uhr. Das heißt nach 1 Stunde Sonnenschein ist es 1 Uhr. Nach vier Stunden Sonnenschein ist es 4 Uhr. Und wenn die Sonne um 12 Uhr untergeht ist es nach 1 Stunde Dunkelheit 1 Uhr nachts.
Ich bin gespannt wieviele Busse ich aufgrund zeitlicher Mißverständnisse verpassen werde. 🙂

Zudem schreibt man hier erst das Jahr 2007, weil als Kalender eine Version des julianischen Kalenders verwendet wird, der zu allem Überfluss auch noch 13 Monate umfasst (12×30 Tage und 1×5, bzw. in Schaltjahren 6 Tage).
Der Werbeslogan „13 Monate Sonnenschein“ entspricht also absolut der Wahrheit!

Auch eine eigene Schrift erlaubt sich dieses Land: Ge‘ez wird von links nach rechts geschrieben und wirkte zunächst etwas seltsam. Mittlerweile finde ich es aber sehr hübsch. Sie funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die indischen Schriften, indem der inhärente Vokal (ä) einer Silbe durch das Anhängen eines Vokalzeichens verändert wird. So wird aus [dä] [di] oder [de].
ዲርክ = Dirk

Das heißt vermutlich Badezimmer

Lecker Essen mit Injera

እንጀራ = Injera (sprich: indschera) ist die Grundlage der äthiopischen Küche, auch hier im wahrsten Sinne des Wortes. Wats (Eintöpfe) werden auf dem Pfannkuchenartigen Injera serviert. Mit Injera-Stücken steckt man sich dann eine Portion Wat in den Mund. Somit dient die Injera zusätzlich als Teller und Löffel.
Der Teig aus Teff-Mehl gärt einige Tage bevor er auf heißen Tonplatten als Fladen gebacken wird.

Auch was non-verbale Kommunikation angeht gibt es eine Eigenheit, die für mich, der ich gerade aus der Türkei komme, ziemlich verwirrend ist.
In Deutschland signalisiert das Hochziehen der Augenbrauen eine Frage. Auf den Philippinen zum Beispiel bedeutet es „Ja“, was, wenn man es nicht weiß, sehr irritierend ist, wenn jemand mit dem man redet ständig die Augenbrauen hochzieht. Ich dachte dann immer, er versteht mich nicht und wiederholte alles was ich gesagt habe, dabei hat er nur das philippinische Equivalent eines verstehenden Nickens verwendet.
Als ich es dann endlich verstanden hatte, kam ich in die Türkei, wo genau die gleiche Geste „Nein“ bedeutet. Das habe ich mir mittlerweile auch angewöhnt (besonders weil ein Kopfschütteln eher eine fragende Bedeutung hat). Nun heißt es in Äthiopien wieder „Ja“ und ich muß mich wieder umgewöhnen.

Unter Freunden schüttelt man zur Begrüßung oder zum Abschied die Hand und schlägt leicht die rechten Schultern zusammen. Ursprünglich ein Gruß unter Rebellen, die die bekämpften, hat sich dieser „Fighter’s Salute” mittlerweile überall durchgesetzt.

Doch nicht alles ist anders: Wie auch in Myanmar berührt man mit der linken Arm den rechten Unterarm, wenn man jemandem etwas gibt (eine Geste, die ich persönlich sehr schön finde) und Ausländer (weiße) werden „Faranji“ (sprich: farandschi) gerufen.
Das Wort kommt aus dem Arabischen (arabische Händler haben alle christlichen Händler al-frandsch „Franken“) genannt und hat sich nach Äthiopien (faranji), Persien (farang) und bis nach Thailand (Farang/Falang) und Malaysien und Indonesien (palang bzw. barang) verbreitet.
Der Name der Ferengi in Star Trek kommt übrigens vom äthiopischen Faranji (ihrOberhaupt trägt den Titel Nagus, was äthiopisch für König ist).

All diese Eigen- und Besonderheiten, gepaart mit der großen Herzlichkeit und doch Zurückhaltung (zumindest hier in Addis halten sich die Faranji-Rufe sehr im Rahmen) der Äthiopier geben mir das Gefühl, daß die Entscheidung für Äthiopien genau richtig war und erfüllen mich mit Vorfreude auf die kommenden Wochen.

Ja, ich bin am richtigen Ort angekommen.


Kaffee-Zubereitung. Äthiopien ist das Heimatland des Kaffees und die Zubereitung, die wohl ursprünglichste. Hier werden die Bohnen geröstet.

Äthiopisches Frühstück (Rührei)

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3 Responses to Alles ein bißchen anders

  1. Barbara says:

    Na endlich!
    Schön, dass Du wieder unterwegs bist und dass es Dir so gut gefällt!
    Ich freu mich wieder auf ein bisschen mit unterwegs sein dürfen.
    Liebe Grüße!

  2. Hi Dirk,
    schön, dass es dir gut geht! Wir freuen uns auf deine Reiseberichte… Vielleicht treffen wir uns ja mal wieder irgendwo… zB Madagaskar? Wir sind gerade auch (jetzt zu dritt) unterwegs, aber am anderen Ende der Welt!
    Viele liebe Grüße und eine schöne Zeit in Afrika!

    • Skraal says:

      Hallo Ihr beiden!
      Schön von Euch zu hören.
      Wow, bei Euch scheint sich ja auch einiges getan zu haben. Habe gerade mal kurz auf Euren Blog geschaut. Herzlichen Glückwunsch. Melde mich demnächst mal ausführlicher per Mail.
      Wieder treffen wäre schön, mal sehen, wohin es uns verschlägt!

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