Almaty − Heimat der Äpfel

Es gibt keinen Bus aus Tekeli heraus. Thomas mein Couchsurfinghost zeigt mir die Stelle, wo ich am besten ein Auto anhalten kann um nach Taldykorgan mitgenommen zu werden. Aus Mangel an Taxis, öffentlichen Verkehrsmitteln und persönlichem Einkommen ist es üblich, daß man sich quasi per Anhalter mitnehmen lässt und dafür ein paar Tenge bezahlt. Besonders in Almaty, der ehemaligen Hauptstadt Kasachstans funktioniert das hervorragend: man stellt sich an den Straßenrand, winkt, ein Auto hält, man sagt wo man hinwill, der Fahrer entscheidet, ob das auf seinem Weg liegt, wenn man da ist, gibt man dem Fahrer ein paar Tenge und alle sind glücklich. Irgendwie ein tolles System, wenn man nicht auf einen Personenbeförderungsschein besteht.

Ich steige also zu einer dreiköpfigen russischen Familie ins Auto. Mit meinem aufgefrischten Russich erzählt mir der Vater von seinen Jagdausflügen, unteranderm in der Schweiz. Die Zähne und Krallen am Rückspiegel bezeugen seine Geschichten, auch wenn die Trophäen aussehen, als ständen ihre ehemaligen Besitzer in der Schweiz unter Naturschutz.
Sie fahren mich bis zum Sammeltaxistand, suchen mir eines nach Almaty und handeln auchnoch einen guten Preis für mich aus. Cпасибо!

Hauseingang zu unserer Mietwohnung

Freitagsmoschee

auf dem Markt

… hmmm, Schafsköpfe

2. Weltkrieg-Denkmal

Eine Anmerkung zu Russen und Kasachen:
Das Gebiet des heutigen Kasachstan gehört schon lange zum Russichen Reich, doch erst zu Sowjetzeiten wurden die Kasachen, ein mongolisches Turkvolk, die bis dahin nomadisch lebten, zwangsangesiedelt und wurden seßhaft. Viele widersetzten sich jedoch und töteten lieber ihre Herden und damit ihre Lebensgurndlage, als sie den Kolchosen zu überlassen. Hierraus resultierte eine große Hungersnot, der viele Kasachen zum Opfer vielen.
Später versuchte Stalin Kasachstan zum Brotkorb der Sowjetunion zu machen indem er in der Steppe Weizen anbauen ließ, das ging − erwartungsgemäß − schief und gewaltige Hungersnöte rafften viele der verbliebenen Kasachen hinweg.
Gleichzeitig wurden viele ethnische Russen in Kasachstan angesiedelt, so daß sie heute noch 23% der Bevölkerung Russen sind, die ethnischen Kasachen machen 64% der Bevölkerung aus.
Denn außer als Brotkorb hatte Stalin Kasachstan auch als Gefängnis und Arbeitslager benutzt. Im zweiten Weltkrieg ließ Stalin die Wolgadeutschen nach Kasachstan zwangsumsiedeln, weil er befürchtete, daß diese Hitler unterstützen würden. Auch viele andere Volksgruppen, Koreaner, Georgiere, Ukrainer u.a. wurden nach Kasachstan gebracht. Die Kasachen, die auch unter Stalin zu leiden hatten, nahmen die Fremden als Leidensgenossen freundlich auf und noch heute ist Russisch neben Kasachisch offizielle “Nationalsprache”.
Daher gibt es Kasachen als Bürger Kasachstans und Kasachen als Angehörige des kasachischen Volkes. Im Russischen gibt dafür es zwei Begriffe für russisch: русский (rússkij) und российский (rossíjskij). Ersteres bezeichnet ethnisch russisches, etwa die russische Sprache, letzteres bezeichnet das, was mit dem Staat zu tun hat, etwa die russische Föderation. Da es einen solchen Unterschied auf deutsch nicht gibt, meine ich mit Russen Kasachen russischer Abstammung.
Unterscheiden kann man die Volksgruppen auch äußerlich: die Russinnen sind sehr knapp bekleidet: Hotpants, hohe Schuhe, enge Tops mit tiefem Ausschnitt, während die Kasachinnen eher züchtig (lang) gekleidet sind. Die Russen tragen dafür oft die in Rußland modischen Herrenhandtaschen.

voll ist es hier wahrlich nicht

Die Kathedrale im Stadtpark.

Nach einigen Stunden Fahrt Ankunft im Stau der nach Almaty reinfährt, Feierabendverkehr, in der Stadt wird es besser. Nach erfolglosem Selbersuchen vermittelt mir ein Reisebüro eine Wohnung zum tageweisen mieten. Hotels sind noch seltener als Taxis, aber auch hier kann man dafür bei Einheimischen “mitwohnen”. Nun nicht ganz: Zweit-, Dritt- und Soundsovieltwohnungen werden tageweise an Touristen oder Geschäftsreisende vermietet. Unsere ist zentral gelegen, gut erreichbar und ein bißchen heruntergekommen in einem sowjetischen Plattenbau gelegen. Wohn/Schlafzimmer, kleine Küche noch kleineres Bad (ohne Fenster), alles ein bißchen ranzig aber dafür authentisch und mit Internetzugang über den Computer. Antje ist entsetzt, als sie zwei Tage nach mir in Almaty ankommt, doch nach einem Tag ist sie wieder im Travelmodus und findet’s doch gut.

breite, meist leere Straßen

вкусно и недорого! Lecker und billig, so stellt sich die Küche dar. Hier gibt es leckeres Beshbarmak, eine Art Nudeleintopf.

Almaty ist wunderschön und hat ein cosmopolitisches Flair. Es wundert mich nicht, daß viele Botschaften hier geblieben sind, nachdem die Hauptstadt Kasachstans 1997 nach Astana verlegt wurde. Breite Boulvards, Cafés, Kunstinstallationen in der Fußgängerzone, Theater, Museen, immernoch ist Almaty die kulturelle und finanzielle Hauptstadt.
Hier finden wir denn auch die Botschaft der Republik Uzbekistan, in der wir unsere Visa abholen. Als wir darauf warten, treffen wir 50% der Traveller, die uns in Kasachstan begegnen werden: ein belgisches Pärchen, die ebenfalls ein uzbekisches Visum brauchen. Nicht viele Leute fahren nach Kasachstan …
Dank Stan-Tours klappt das auch relativ problemlos.

Alma ist kasachisch für Apfel und Almaty heißt soviel wie „Apfel-heit“, „voller Äpfel“ oder auch „Stadt der Äpfel“. Die wilden Äpfel (Malus sieversii) in der Region von Almaty weisen tatsächlich eine hohe genetische Vielfalt auf, was dafür spricht, daß hier die Urheimat des Apfels liegt.

Wir machen zwei Ausflüge in die Umgebung: Einmal zum Charyn Canyon und in die nahen Ausläufer des Tian Shan Gebirges.
Der Canyon-Ausflug war ein tolles Erlebnis, nicht zuletzt weil wir in einer russischen Reisgeruppe und deren Bus gelandet sind. Auf den Berg konnten wir bequem mit dem öffentlichen Bus und der Seilbahn fahren.

Im Bus zum Canyon

Schaschlik (Grillspieße) …

… und kühle Getränke

Die schlimmsten Toiletten gibt’s in Zentralasien.

Es war etwas bewölkt, hat aber nur auf der Rückfahrt ein wenig geregnet.

Der Lada Niva 4×4, der russische Jeep.

Pinkelpause.

Unser Führer, der tatsächlich viel zu erzählen wußte, dafür aber kein Englisch konnte.

Das Eislaufstadion in den Bergen. Fast ein bißchen Alpen-Flair.

Definitiv Alpen-Flair

Schnee, Anfang Juli, wir sind hoch …

Den Wettkampf haben wir verpaßt aber einige Soldaten tragen noch die Nummern.

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