Cochin liegt sechs Stunden von Kannur entfernt und damit zu nah für einen Nachtzug, eine der wohl angenehmsten Arten in Indien zu reisen. Also nehmen wir einen normalen Zug. Wir drängen uns zu viert auf der Dreierbank, es ist unsagbar heiß, die zahlreichen Ventilatoren sind so an der Decke befestigt, daß wir nichts von ihnen haben. Keine Ahnung, wohin die blasen …
Erst zum Abend hin wird es kühler, allerdings holt uns der Nordostmonsun ein: als wir aus dem Zug steigen gießt es in Strömen. Regenzeug an, Prepaid Riksha und ab in den Homestay.
Der Apostel Thomas (der Ungläubige) soll im ersten Jahrhundert das Christentum nach Südindien gebracht haben und auch der koloniale Einfluß der Portugiesen hat zu einer weiteren Christianisierung beigetragen. So wundert es uns kaum, ein Zertifikat des päpstlichen Segens bei unserer Gastfamilie zu finden. Sie sind auch sehr herzlich und kümmern sich rührend um uns. Sie empfehlen uns für’s Abendessen ein Restaurant, das zwar leckeres Essen bietet, aber nur von westlichen Touristen frequentiert wird.
Uns wird nochmal klarer, daß wir die „authentische“ Erfahrung suchen. Lieber ein kleines Straßenrestaurant, wo der Tischnachbar, der Kellner, der Koch und der Kassierer interessiert fragen, woher? wohin? verheiratet? Kinder? als ein von Tripadvisor ermpfohlenes Restaurant, wo die Bedienung gelangweilt unfreundlich ist und die anderen Gäste sich nicht einigen können, wer wieviel zur Rechnung beträgt.
Cochin ist ein bißchen wie das Restaurant. Viele Touristenshops, wo man Souveniers aus Kashmir und Rajasthan kaufen kann. Das ist etwa so, als würde sich ein Japaner in Spanien einen Kilt als europäisches Souvenier kaufen …
Wir verziehen uns ins Bazaar-Viertel. Hier gefällt es uns besser und die Inder schauen sich immer wieder verwundert um, wenn wir Photos von Alltäglichkeiten machen.
Eine Touri-Tour machen wir aber trotzdem: mit dem Boot durch die phantastischen Backwaters, die angelegt wurden, um die unsicheren Seewege entlang der Küste (Piraten, Wetter) sicherer zu machen. Nun liegen einige hundert Meter Land zwischen Backwatern und dem Ozean und die Piraten gibt es nichtmehr.
Die Tour ist phantastisch und wir lernen zwei Langzeitreisende aus Kanada kennen und tauschen Reiseerfahrungen aus.
Der abendliche Regenschauer kommt angenehm pünktlich, so daß wir uns gut darauf einstellen können und unser Abendessen entsprechend planen. Naß werden wir manchmal trotzdem.
Ein Bus bringt uns nach Allepey, von wo aus wir die Fähre nach Kottayam nehmen. Die fungiert als öffentliches Verkehrsmittel in diesen Teilen der Backwaters und hält alle fünf Minuten an einer Haltestelle. Großartige Art, die Backwaters „live“ zu erleben. Die neun Rupien pro Person haben sich gelohnt.
In Kottayam angekommen geraten wir in eine Demonstration der CMP (Kommunistische Marxistische Partei) anläßlich ihrer Jahresversammlung. Es ist irgendwie seltsam, mitten im tropischen Indien Portraits von alten, bärtigen Männern aus dem vorletzten Jahrhundert zu sehen (Marx, Engels), aber irgendwie ist es auch schön zu sehen, daß der Kommunismus eine gesunde Heimat gefunden hat. Seit 1954 wird die kommunistische Regierung immer demokratisch wiedergewählt und Kerala ist einer der reichsten Bundesstaaten und hat die höchste Alphabetisierungsrate Indiens.
Doch genug der Propaganda hier sind noch ein paar schöne Photos: