nach Khiva

Für Backpacker sind alle Taxifahrer gleich: sie wollen nur Dein Geld. Also betrachtet man sie immer mit Mißtrauen und will es immer billiger haben, Gott sei Dank hat man ja immer einen Lonely Planet dabei, der einem den „richtigen“ Preis sagt. Und danach wollten die Taxifahrer in Bukhara eindeutig zu viel Geld für die Fahrt nach Khiva.
Also fragen wir herum, versuchen auszusehen, als hätten wir Alternativen, damit die Taxifahrer den Preis nicht noch anheben und siehe da, wir finden einen aufgedrehten Marshrutka-Fahrer, der uns für wenig Geld mitnimmt. Wir müssen uns noch ein wenig gedulden, bis er eine russische Familie gefunden hat, die mitfahren will, dann geht es los. „3 Часа“ − 3 Stunden, versprochen.
Zunächst geht es zur Werkstatt: Motorcheck. Der ca. 25 jährige Mechaniker kommt, läßt unseren Fahrer zweimal den Motor starten, hört genau hin und gibt das OK. Das war leicht.

An der Tankstelle. 3 Stunden − versprochen.

Noch kurz zur Tankstelle, wir müssen aussteigen und Sicherheitsabstand halten, hier fliegen Tankstellen oder Autos schonmal in die Luft − sowjetische Technik, außerdem rauchen ja auch alle. Mein gesamter weltlicher Besitz ist in der Marshrutka, aber nach fast einem Jahr reisen ist man da locker …
Mit höchstens 60 km/h (wirklich nur 3 Stunden nach Khiva??) fahren wir noch zum Fahrer nach hause laden Wagenheber und Ersatzkanister ein und fahren dann wirklich los.

Soundtrack: Yonaman von Ozodbek Nazarbekov

Es geht durch die Wüste. Es wird heiß. Es dauert länger als 3 Stunden. Oq Yo’l heißt Gute Reise auf uzbekisch.
Antje darf vorne sitzen, ich sitze mit unseren Rucksäcken auf der vorderen Rückbank, hinter mir die russische Frau mit ihren zwei Kindern, sie haben hier Verwandte gesucht, sie gibt mir 2 Rubel, ich ihr eine kirgisische 3 Sum Münze als Andenken.

Wenn die Straßen gut sind, sind sie von Sand bedeckt.

Es wird heiß, wir reißen alle Fenster auf und vergehen fast bei jedem der zahlreichen Polizeichecks. Diese Polizisten meinen es ernster als ihre Kollegen in der Tashkenter U-Bahn, keine netten Fragen, nur ein strenges „откуда?“ − woher? Die Pässe werden eingesammelt, wir warten bis sie wieder aus ihrem Häuschen rauskommen, Bakshish wechselt den Besitzer, weiterfahren.
Wir halten an, um Wasser zu kaufen, Tualet? Klar, kleines Häuschen hinten raus. Ein Holzschuppen über einem Plumsklo, seit Wochen in sengender Hitze gebacken, schrecklicher Gestank, die Lunge hat zum Glücke ein größeres Fassungsvermögen als die Blase, aber der Anblick ist auch nicht schön und mir fehlen noch zwei freie Hände für die unzähligen Fligen. Weiterfahrt.

Es ist staubig, seit uns das Fenster fehlt müssen wir uns Tücher vor den Mund halten

Es wird noch heißer, die Straße ist von Sand überweht, Stau, Lastwagen, Polizeicheck. Ein Lastwagen mit „Ein Herz für Kinder“ Aufkleber, ostdeutscher Fahrer, weiter Weg. Unser Fahrer findet es so erstaunlich wie wir, hier einen Deutschen zu treffen und will uns unbedingt bekannt machen. Wir fahren weiter, es wird staubig – wegen des Gegenverkehrs: Fenster zumachen. Ich kann nicht, mein Fenster ist weg. Wir kehren um, fahren ein paar Kilometer, doch weit und breit kein Fenster, unser Fahrer flucht, wir wundern uns. Ein Fenster habe ich auch noch nie verloren.
Immer wenn unser Fahrer müde wird wird er still. Irgendwann steckt er sich Kautabak (??) in den Mund und wird wach − besser gesagt, aufgedreht − und redet ohne Unterlass mit Antje bis er wieder müder wird und das Spiel von vorne beginnt.

Teil der Autoschlange, die wir dank kranker Mutter überholen

Mittlerweile zeigt das Thermometer 45°C im Auto, wir sind in einen Hitzestupor verfallen und lassen alles nurnoch geschehen.
Nach weiteren Polizeistopps und schrecklichen Toiletten wird es dunkler und kühler, der russischen Frau ist es unwohl, ob wir nicht an einer Apotheke halten können. Wir suchen. Zunächst müssen wir tanken. Vor uns etwa 25 Autos in der Schlange. Unser Fahrer hat eine tolle Idee: außer Mama alle raus, dann schleicht er sich vor, kranke Frau auf der Rückbank, da wird er vor gelassen. Cleverle.
Wir nehmen am Straßenrand noch zwei, drei Passagiere mit, einer davon in Uniform und so füllig, daß ich völlig an die Tür gequetscht werde und die maximale Achsenbelastung der Marshrutka überschritten wird. Doch die Zugestiegenen steigen bald aus.
Wir halten an einer Apotheke und fahren noch ein paar Stunden und liefern die Familie am Flughafen in Urgench ab, sie fliegen heute nacht noch nach Moskau.
Unser Fahrer verhandelt nach, die 30 Kilometer nach Khiva will er extra haben. Wir lenken ein, wir fahren nach Khiva und kommen um 23 Uhr an. 11 Stunden nach dem Versprechen, daß es 3 Stunden dauern wird. Wir fallen glücklich ins Bett nachdem wir erst noch eine Familie rausgeklingelt haben (ach, das Hostel ist um die Ecke? Isvinitje!). Was für ein grandioser Trip − und ein paar Dollar gespart.

An der Tankstelle. 3 Stunden − versprochen.

Wenn die Straßen gut sind, sind sie von Sand bedeckt.

Rechts vor links!

Die Straßen sind in eher schlechtem Zustand, dafür ist wenig Verkehr.

Es ist staubig, seit uns das Fenster fehlt müssen wir uns Tücher vor den Mund halten

Unsere Marshrutka

Teil der Autoschlange, die wir dank kranker Mutter überholen

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